Mobbing in der Schule: Rechtliche Schritte reichen nicht aus!
Die Zahlen sind alarmierend: Immer mehr Kinder werden zum Opfer von Mobbingtatbeständen – und das nicht nur in der Schule, sondern auch im Internet. In einem solchen Fall solltest du unbedingt rechtliche Schritte ergreifen. Ebenso wichtig ist jedoch auch die Prävention – nämlich die mentale Stärkung deines Kindes. Hier ein Überblick.
Mobbinghandlungen sind keineswegs nur physischer Natur, vor allem die nicht offensichtliche psychische Gewalt hinterlässt tief- und weitreichende Spuren.
Anzeichen, dass ein Kind Mobbing erfährt:
- das Kind zieht sich in seine eigene kleine Welt zurück,
- die schulischen Leistungen lassen deutlich nach
- es wird von Alpträumen geplagt und
- verweigert den Schulbesuch
Dann sollten Eltern sehr genau hinschauen:
Zwar haften die zuständigen Lehrer:innen in den Schulen, sollten sie ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkommen, doch: Mobbingopfer haben einen langen und beschwerlichen Weg vor sich, um wieder Freude am Leben zu empfinden.
Umso wichtiger ist es, die Zeichen frühzeitig zu erkennen, konsequent dagegen vorzugehen und Strategien gegen Mobbing zu entwickeln.
Mobbinghandlungen – was ist das genau?
Es beginnt mit vermeintlichen Kleinigkeiten: Einzelne Schüler*innen beleidigen Mitschüler*innen – zunächst versteckt, dann immer offener. Andere Schüler:innen greifen diese Attacken auf und verbreiten oft genug böse Gerüchte und Unwahrheiten.
Der/die Betroffene erhält nicht mehr alle wichtigen Informationen, was zu Fehlern führt und die Unsicherheit weiter verstärkt. Verhöhnung, Beleidigung, Erpressung, Drohung und letztendlich auch Gewalt – die soziale Ausgrenzung in der Schule schmerzt in vielfacher Weise.
Auch wenn Mobbing in der Schule von einer einzelnen Person ausgeht, entsteht daraus ein dynamischer Gruppenprozess: Eine Gruppe oder die komplette Klasse steht gegen eine:n Mitschüler:in.
Doch auch nach Schulschluss endet der Druck nicht: Schüler:innen können sich nicht ohne Probleme den gängigen Messenger-Diensten und Social Media fernhalten.
Sie würden sich schlichtweg noch weiter ausgrenzen – und setzen sich gleichzeitig dem Cybermobbing aus. Wie muss sich diese Situation auf einen heranwachsenden Menschen auswirken?
Wichtig:
Eine einheitliche Definition gibt es nicht, doch Mobbinghandlungen können fatale Folgen haben. Was als harmloser Streich gedacht war, kann sich bei empfindsamen Menschen dramatisch auswirken – vor allem bei Kindern!
Mobbing an Schulen – leider ein ganz alltägliches Problem
Eine Erhebung der Bertelsmann-Stiftung ergab erschreckende Zahlen:
- leidet fast jedes dritte Schulkind unter Hänseleien, Ausgrenzungen und Gewalt – und das an Grundschulen!
- An den weiterführenden Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen sind es immer noch 20 Prozent,
- an den Gymnasien noch zehn Prozent.
Betrachten wir alle Schulformen gemeinsam, ergibt sich der besorgniserregende Anteil von 65 Prozent der Schüler:innen, die monatlich mindestens eine der genannten Negativerfahrungen machen.
Die Befragung schloss sowohl den Aufenthalt im Schulgebäude als auch den Schulweg, außerschulische Begegnungen und die Social Media ein.
Daraus folgt: Ein Viertel der Schüler:innen fühlt sich weder in der Schule noch in der Nachbarschaft sicher.
Anzeichen wahrnehmen – in den Schulen und im heimischen Umfeld
Dieser Druck, diese Unsicherheit können nicht ohne Folgen bei den Betroffenen bleiben: Das Selbstwertgefühl sinkt, sie beschuldigen sich selbst, isolieren und fühlen sich einsam.
Angst und Traurigkeit gehören ebenso zu den Auswirkungen wie Depressionen, Alpträume und Schlafstörungen oder Appetitlosigkeit – bis hin zu Essstörungen.
Weitere Anzeichen können psychosomatische Beschwerden sein, also
- Bauchschmerzen,
- Kopfschmerzen oder
- Übelkeit.
Betroffene wollen nicht mehr die Schule besuchen, die Fehlstunden häufen sich. Im Extremfall denken sie über Selbstmord nach und setzen dieses Vorhaben auch um.
Umso wichtiger ist es, sensibel zu sein. Sollten Kinder ohne offensichtlichen Grund ihr Verhalten ändern und zum Beispiel auch in ihren schulischen Leistungen spürbar nachlassen. Deutet sich an, dass Mobbing die Ursache sein könnte, solltest du sofort aktiv werden.
Auf Anzeichen reagieren – überlegt, aber konsequent vorgehen
Auch wenn du die Verantwortlichen am liebsten selbst zur Rechenschaft ziehen willst, um deinem Kind zu helfen: Es gibt keine pauschale Vorgehensweise, die bei Mobbingtatbeständen schnell und effektiv hilft.
Vor allem aber solltest du den Druck von deinem Kind nehmen. Stellst du dich nämlich vor die Klasse und forderst eine Bestrafung, kann das die Situation unter Umständen noch verschlimmern. Der erste Schritt sollte daher ein Gespräch mit dem Lehrer bzw. der Schulleitung sein.
Wichtig:
Lehrer:innen und Schulleitung müssen ihre Fürsorgepflicht gegenüber allen Schüler:innen erfüllen. Verletzen Sie diese Pflicht, steht den betroffenen Kindern Schadenersatz zu.
Gibt es eine:n Vertrauenslehrer:in, ist auch das eine gute Adresse für ein Gespräch. Letztendlich geht es darum, eine gemeinsame Vorgehensweise abzustimmen, die nicht nur dem konkreten Fall, sondern auch den Befindlichkeiten des betroffenen Kindes gerecht werden.
Rechtsbewusstsein stärken – eine gesellschaftliche Aufgabe
Doch auch in diesem Punkt kommt die bereits erwähnte Bertelsmann-Studie zu einem bedenklichen Ergebnis.
Demnach haben die Schüler:innen mit zunehmendem Alter immer weniger das Gefühl, dass ihnen die Lehrerschaft zuhört und ihre Anliegen wahrnimmt:
- Achtjährige fühlen sich laut der Erhebung zu 79 Prozent ernstgenommen.
- Vierzehnjährige nur noch zu 57 Prozent.
Gleichzeitig kennen viele Schüler:innen ihre Rechte gar nicht oder nicht ausreichend:
- Gymnasiast:innen sind sich nur zu 53 Prozent ihrer Rechte sicher,
- Grundschulkinder nur zu 37 Prozent.
Hier gibt es also einen enormen Handlungsbedarf, um Schüler*innen den rechtlichen Rahmen näherzubringen.
Mobbing in der Schule – rechtliche Schritte ergreifen
Sollten Lehrer:in und Schulleitung nicht auf deine Hinweise reagieren und gegen das Schülermobbing vorgehen, hast du einige rechtliche Möglichkeiten. Natürlich ist das lästig, wenn du derartige Verfahrensschritte einleiten musst.
Aber: Mobbing und Cybermobbing sind viel zu ernst und zu komplex, um es einfach laufen zu lassen. Diese Handlungsschritte stehen dir rechtlich offen.
Strafrechtliche Konsequenzen
Mobbinghandlungen erfüllen durchaus einige Straftatbestände, wie zum Beispiel:
- Beleidigung
- üble Nachrede (Verbreiten von unwahren und andere Personen herabwürdigenden Aussagen)
- Verleumdung (Verbreitung unwahrer Aussagen wider besseren Wissens)
- Nötigung (eine andere Person mit Drohung und/oder Gewalt dazu bringen, etwas zu tun, was diese nicht freiwillig tun würde)
- Erpressung (eine andere Person mit Drohung und/oder Gewalt dazu bringen, dass sie Wertgegenstände oder Geld herausgibt)
- Verletzung des Rechts am eigenen Bild (öffentliches Verbreiten von Bildern oder Filmen anderer Personen ohne die Zustimmung des/der Betroffenen)
- Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches (Bilder oder Filme von Personen aufnehmen und damit deren Hilflosigkeit zur Schau stellen bzw. unbefugte und für das Ansehen schädliche Aufnahmen von Personen anfertigen und diese Dritten zukommen lassen)
All dies sind keine Kavaliersdelikte. Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches wird mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren bestraft!
Fakt ist jedoch:
Sind die Täter jünger als 14 Jahre, gelten sie noch nicht als strafmündig. Eine Strafanzeige ist also nur sinnvoll, wenn du es mit wenigstens 14-Jährigen zu tun hast.
Einige der genannten Delikte werden nur verfolgt, wenn du innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Tat einen Strafantrag stellst.
Zivilrechtliche Möglichkeiten
Rechtlich gesehen kannst du Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld für das Mobbingopfer fordern – schließlich wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt.
Die zuständigen Gerichte unterscheiden klar zwischen dummen Sprüchen, die auch auf Schulhöfen geklopft werden, und systematischem Schülermobbing.
Wichtig:
Hier spielt das Alter eine ganz andere Rolle. Auch Minderjährige können in solchen Fällen rechtlich belangt werden, sobald sie das siebente Lebensjahr vollendet haben.
Darüber hinaus müssen die minderjährigen Täter auch über die notwendige Einsichtsfähigkeit verfügen, Falsches von Richtigem unterscheiden zu können.
Ist dies gegeben, dann kannst du deinen Anspruch auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld direkt gegen das Kind richten. Das ist durchaus sinnvoll, denn ein solches Urteil lässt sich innerhalb von 30 Jahren vollstrecken.
Dann sollte der Mobber schon selbst Geld verdienen, denn auch die Gerichts- und Anwaltskosten müssen bezahlt werden.
Elterliche Haftung bei Mobbing
Alternativ werden auch die Eltern in Haftung genommen, wenn diese etwa ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind. Hier wird explizit geprüft, wie viel Aufsicht das mobbende Kind nach Alter und Reife noch benötigt.
Einige Anwälte schlagen als sinnvolle Handlungsschritte vor, die Eltern des Täters oder der Täterin kostenpflichtig abzumahnen. Gleichzeitig werden die Eltern dazu aufgefordert, ihrem Kind das gegen geltendes Recht verstoßende Verhalten zu untersagen.
Sollte es zum Wiederholungsfall kommen, hätten sie eine Vertragsstrafe zu zahlen. Für den Fall, dass sich die Eltern der Unterschrift einer solchen Erklärung widersetzen, kannst die rechtlichen Konsequenzen ziehen: nämlich eine Unterlassungsklage anstrengen.
Schulrechtliche Schritte
Auch in schulrechtlicher Hinsicht kann Mobbing durchaus Folgen haben: Die Schulleitung kann beispielsweise das mobbende Kind in eine andere Klasse versetzen, einen Verweis erteilen oder eine Mediation anordnen.
In jedem Fall sollten sowohl Lehrer als auch Schulleitung konsequente und drastische Maßnahmen gegen Mobbing ergreifen. Versäumen sie dies, drohen auch Konsequenzen in arbeitsrechtlicher Hinsicht – von den Folgen für die Betroffenen ganz abgesehen.
Wichtig:
So schwer es auch fallen mag: Auch Mobbing gibt keinem Menschen das Recht, sich gewalttätig zur Wehr zu setzen. In diesen Fällen werden die Opfer zu Tätern – und entsprechend bestraft.
Mobbing in der Schule rechtliche Schritte: Praktische Tipps
Willst du in arbeitsrechtlicher, strafrechtlicher, zivilrechtlicher oder schulrechtlicher Hinsicht juristisch gegen Mobbingtatbestände vorgehen, dann brauchst du Beweise:
- Sichere Nachrichten und E-Mails.
- Fertige Screenshots sowie Ausdrucke von relevanten Seiten in den Sozialen Netzwerken an.
- Führe Gespräche mit Zeugen, die deine Aussagen bestätigen können.
- Suche einen auf das Zivilrecht spezialisierten Anwalt, der dich zum Thema Schadensersatz und Schmerzensgeld beraten kann.
Ist Prävention möglich?
In erster Linie sind die Lehrer*innen gefragt – oder doch nicht? So einfach können wir uns das als Gesellschaft nicht machen. Natürlich sollen Lehrer*innen die an sie herangetragenen Probleme ernst nehmen.
Letztendlich erhalten sie Unterstützung, wie beispielsweise von der Bundeszentrale für politische Bildung und anderen Stellen.
Doch es ist auch eine Tatsache, dass das Lehrpersonal oft genug an der Belastungsgrenze arbeitet und mit derartigen Situationen überfordert ist. Hier lohnt sich ein Blick auf die Motive der Täter*innen.
Warum werden Kinder zu Tätern?
Als gängige Gründe gelten vor allem:
- Wut,
- Unzufriedenheit,
- Langeweile,
- Neid und
- geringe Konfliktfähigkeit.
Im Prinzip sind es eigene Unzulänglichkeiten, die Kinder an ihren Opfern abarbeiten – und dafür kann nicht nur die Schule zuständig sein.
Natürlich sollte es auch schulrechtliche Konsequenzen geben, wenn sich Schüler/innen wiederholt über einen langweiligen Unterricht und gleichgültige Lehrkräfte beklagen. Doch die Verhaltensmuster der Schüler*innen werden woanders geprägt – im heimischen Umfeld.
Strategien gegen Mobbing – beide Seiten gefragt
An erster Stelle steht die Aufklärung: Sowohl Eltern als auch Schulleitungen sind aufgerufen, die für ein friedliches Zusammenleben geltenden Grenzen klar aufzuzeigen und zu erklären.
Schulen können hier auf spezielle Workshop-Angebote zurückgreifen, die das Thema komplex aufgreifen.
Sinnvoll ist es, diese ganz praktisch aufzusetzen:
- In einer Umfrage können Schüler/innen anonym ihre Erfahrungen mitteilen und die Situation in der Klasse beschreiben.
- Die Ergebnisse werden zunächst mit den Lehrkräften besprochen.
- In Workshops lernen Schüler/innen ihre Handlungsoptionen kennen.
- Die Eltern werden im Rahmen eines Elternabends einbezogen und informiert.
- Hilfsangebote, beispielsweise bei einem Kinder- und Jugendcoach, können direkt wahrgenommen werden.
Dabei darf aber nicht verkannt werden, dass Schüler/innen oft genug das nachvollziehen, was sie zu Hause vorgelebt bekommen.
Derartige Erlebnisse in jungen Jahren wirken sich naturgemäß auch auf lange Sicht gesundheitlich aus: Viele Schüler:innen empfinden Stress, der wiederum zu Schlafproblemen, Panikattacken und Angstzuständen führen kann.
Das Burn-out ist dann nicht mehr weit entfernt. Dass eine solche Kindheit und Jugend die Lebenserwartung sinken lässt, liegt auf der Hand.
Umso wichtiger sind therapeutische Maßnahmen, die Begleitung durch einen Kinder- und Jugendcoach oder anderweitige Unterstützungen, die aus dieser Situation heraushelfen.
Je stärker Kinder und Jugendliche mental aufgestellt sind, je fester ihr Wertegefüge verankert ist und je ernster sie sich genommen fühlen, desto besser können sie mit Krisensituationen umgehen.
Und bei Bedarf auch erfolgreich intervenieren.